Wie man leben soll : Roman

Glavinic, Thomas, 2004
Gemeindebücherei Wolfau
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Medienart Buch
ISBN 978-3-423-24392-6
Verfasser Glavinic, Thomas Wikipedia
Verlag Dt. Taschenbuch-Verl.
Ort München
Jahr 2004
Umfang 238 S.
Altersbeschränkung keine
Reihe dtv premium
Sprache deutsch
Verfasserangabe Thomas Glavinic
Annotation Quelle: 1000 und 1 Buch (http://www.1001buch.at/);
Autor: Klaus Nowak;
"Luftröhrenschnitt! schreit Heike. Sie wird schon ganz blau!"
Nach der Lektüre von Thomas Glavinics neuem Buch "Wie man leben soll" weiß man zumindest, wie man nicht sterben möchte. Nicht beim Weihnachtsessen. Nicht an einer Karpfengräte. Nicht an der "raschen Hilfe" des eigenen Freundes. Aber gemach, gemach.
Glavinic, geboren 1972 in Graz, zuletzt zu Recht hoch gelobt für seinen mit dem Glauser-Krimipreis ausgezeichneten Roman "Der Kameramörder", ist mit "Wie man leben soll" eine stilistisch eigenwillige und sehr unterhaltsame Gesellschaftssatire gelungen, die in konsequent durchgehaltener Man-Perspektive vom Lebensweg eines Durchschnitts-Helden namens Karl Kolostrum erzählt, beginnend mit dessen Pubertät (Vater weg und Mutter säuft) in den 1980er Jahren und endend mit einer sehr österreichischen Medien-Karriere im Hier und Jetzt. Als Porträt seiner Generation bezeichnet der Autor selbst die Geschichte dieses Herrn Karls von heute.
Karl oder Charlie lebt, wie man leben soll, und liest, wie man lesen soll, erwirbt neue Kenntnisse aus Zeitschriften wie "Der Körper", informiert sich durch Bücher wie "So mache ich mir Freunde, Teil II" oder "Die große Geschichte der Rockmusik, psychologisch betrachtet" und ist laut Test (in: "Die Persönlichkeit") ein 87%iger Sitzer, 82%iger Mitläufer, 56%iger Trickser, 10%iger Schulterzucker und nur 3%iger Draufgänger.
In seiner Rede anlässlich der Verleihung des Österreichischen Staatspreises für Literatur 1968 sprach Thomas Bernhard nicht nur den oft zitierten und natürlich auch für den Schwerpunkt dieses Heftes programmatischen Satz "Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.", sondern auch folgenden, schon etwas seltener zitierten: "Wir sind Österreicher, wir sind apathisch." Ein weiteres Indiz dafür, in Charlie einen typischen Volksvertreter zu sehen. Abwarten. Aussitzen. Die Mama wird's schon richten.
Aber was macht dieser apathische 100%ige Schulterzucker, dem durch eigenes Ungeschick bereits zwei Verwandte abhanden gekommen sind, ausgerechnet dann, als seine Freundin röchelt und um Luft ringt? Er wetzt ein großes Messer. Dumm nur, dass jetzt keine Zeit mehr bleibt um in "Der Körper" Wesentliches nachzuschlagen. Während im Hintergrund Bob Marley "No Woman, no cry" singt, aktiviert Charlie seine ganzen 3% Draufgängertum.
"Noch immer weiß man nicht, wo die Luftröhre verläuft. Auf gut Glück sticht man da und dort ein bisschen in den Hals. Aber sticht man tief genug? Muß man über dem Kehlkopf stechen oder darunter? Und woran merkt man, wenn man getroffen hat? Zischt es?"
"Merke: Wenn es viele Wege gibt, aber nur einer der richtige ist, muß man sie alle gehen."

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Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Martina Lainer;
Das Spiegelbild einer Generation, oder: Wehe, wer ein 1970er-Kind ist! (DR)

Die 1968er hatten es noch gut. Sie gehörten einer Generation an, der das Dicksein und das Experimentieren mit Drogen erlaubt war, und die freie Liebe nicht nur ein Schlagwort. Die Generation danach hat es im Leben schon viel schwerer. Das ist auch das Problem von Glavinics Antihelden Karl "Charlie" Kolostrum. Allein der Name erweckt die Assoziation von Monstrum und so wird er auch dargestellt. Wäre da nicht die dritte Person Einzahl, also das verpönte "man", so gäbe es einen Icherzähler. Charlie erzählt sein Leben aus einer erschreckenden Distanz, als hätten die Erlebnisse nichts mit ihm zu tun. Er filtert alle Emotionen und macht sie zu allgemeingültigen Erfahrungen. So entsteht ein oft ungustiöses, schockierendes und zuweilen frustrierendes Spiegelbild einer Gesellschaft, die energielose Looser produziert. Glavinic ist keiner, der romantische Töne anschlägt, und so sind die Darstellungen von Sexualität an der Grenze zum beinharten Sex, dem keinerlei Eros anhaftet. Das muss man aushalten. Aber dem Autor ist es um Aufdeckung zu tun und damit um Gesellschaftskritik. Ich meine: Die Botschaft ist angekommen.